Die Geschichte des Vogelschutzvereins Kirrlach
- Als der Vogelschutzverein Kirrlach im Jahre 1913 von zehn Vogelliebhabern gegründet wurde, hatte Kirrlach knapp dreieinhalbtausend Einwohner. Unter dem Namen „Kanarienzucht- und Vogelschutzverein“ wurde der Verein am 25. Februar 1913 beim Großherzoglichen Bezirksamt in Bruchsal registriert. Der Name macht deutlich, dass sich die Gründungsväter der damals in Mode kommenden Kanarienzucht widmen wollten.
- Hauptzweck des Vereins war der Erfahrungsaustausch unter den Züchtern. Darüber hinaus präsentierte man die besten Zuchterfolge der Kirrlacher Bevölkerung in Vogelschauen. Das zeitaufwendige Hobby konnte darüber hinaus bei erfolgreichen Züchtern durchaus auch finanziell attraktiv sein. Denn einen Kanarienvogel in der guten Stube zu halten, galt als Zeichen eines gutbürgerlichen Wohlstands und man war bereit, dafür auch Geld auszugeben.
- Der Verein schloss sich dann auch dem bereits 1906 gegründeten „Badischen Bund für Kanarienzucht und Vogelschutz“ an. In diesem Verband, der sich heute „Badischer Kanarienzüchterverband 1906“ nennt, gehört der Kirrlacher Verein zu den ältesten Vereinen und ist heute noch Mitglied. Kanarienzucht ist ein zeitaufwändiges Hobby, dessen Ausübung man sich im ländlichen Raum erst mit der verstärkt einsetzenden Industrialisierung leisten konnte.
- Die Kirrlacher arbeiteten damals unter anderem bei der Bahn, in der Zuckerfabrik und in Mannheimer Fabriken. Der Großteil allerdings fand eine Beschäftigung in den Kirrlacher Zigarrenfabriken, wo damals über 900 Arbeiterinnen und Arbeiter eine Anstellung fanden. Wegen der kargen Löhne, die damals bezahlt wurden, betrieben die meisten Kirrlacher aber immer noch eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb. Aber die zeitlich geregelte Arbeit in der Fabrik brachte als neue Errungenschaft auch ein neues Phänomen mit sich, nämlich die Freizeit, in der man sich einem Hobby wie Kanarienzucht widmen konnte.
- Das Züchten von Kanarienvögeln war damals so populär, dass in Kirrlach 1930 sogar noch ein zweiter Verein, nämlich der Verein für Vogelfreunde „Kanaria“ entstand, der allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr fortgeführt wurde.
- Aber auch beim Kanarienzuchtverein dauerte es einige Jahre, bis es 1952 zur Wiederbelebung des Vereins kam, der dann auch schon im Dezember im Gasthaus zur „Sonne“ die erste Vogelausstellung nach dem Krieg organisierte.
- Diese Vogelausstellungen wurden dann in der Folgezeit jedes Jahr präsentiert und wurden zu einem Aushängschild für den Verein. Gezeigt wurden nicht nur Kanarien, sondern auch Sittiche, Exoten und einheimische Wildvögel. Ein Auszug aus einem Pressebericht vom 11. Dezember 1965 über die Schau im Saal des Gasthauses „Zum Kopf“, zeigt die Vielfalt der damaligen Ausstellungen: „Große Vogelgehege wechselten mit zahlreichen neuen Vogelkäfigen und dazwischen fehlte auch nicht ein Freigehege und ein Ententeich.
- In bunter Folge wechselten herrliche und seltene Exoten mit heimischen Wildvögeln und Mischlingen. Neben Rosella, Witwen, Gürtelfinken, Dreifarben-Glanzstar, Nachtigallen, Rotschwänzen und verschiedenen Arten des Kardinals konnten viele Wildvögel und Mischlinge wie Zeisig, Farbenkanarien, Mozambique und Wellensittiche bewundert werden. Dazwischen fehlten auch nicht der vielbesungene Dompfaff, der schwarzblaue Tangar, der Purpurgranatastrille, der Spitzschwanzmadin und zahlreiche Finkenrassen, Zwergwachteln , Feldhühner, Fasanen und Enten, die sich in ihrem Element – dem Wasser im aufgebauten Ententeich – munter tummeln konnten, und ein junges gezähmtes Reh vervollständigten das Gesamtbild.“
- Im Bericht wird ausdrücklich vermerkt, dass auch viele Jugendliche sich für die Ausstellung interessierten.
- Mit diesen Vogelschauen waren die Vogelzüchter in so ziemlich allen Wirtshaussälen und Hallen in Kirrlach zu Gast, bis sie schließlich beim Vogelpark in einer Ausstellungshalle eine feste Bleibe fanden. Diese Ausstellungshalle brannte im Dezember 2012 vollständig ab. Sie bestand aus zwei Baracken, die bis Ende der 1970er Jahre der Schillerschule in Zeiten der Schulraumnot als Klassenzimmer gedient hatten und dann beim Vogelpark eine neue Verwendung als Ausstellungshalle fanden.
- Die Züchter beteiligten sich aber auch immer öfter an Meisterschaften und konnten schon Mitte der 1960er Jahre die ersten großen Erfolge bei Badischen und Deutschen Meisterschaften erzielen. Eine Serie, die dann viele Jahre ununterbrochen anhielt und badische und deutsche Meister im Verein zum Normalfall wurden. Auf den erfolgreichen Kirrlacher Verein wurde man dann auch von Verbandsseite aufmerksam, so dass man ihm 1975 und 1983 die Durchführung der Badischen Meisterschaften für Gesangs-, Farben-, Mischlings-, Positur -Kanarien, Sittiche und Exoten anvertraute.
- Ein neues Kapitel der Vereinsgeschichte wurde aufgeschlagen, als der Beschluss gefasst wurde, einen Vogelpark anzulegen. Im Gewann Pfaffengarten wurde dem Verein 1965 ein 75 Ar großes Gelände direkt am Waldesrand von der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Begonnen wurde mit dem Bau eines Ententeiches mitten im Gelände. Im nächsten Bauabschnitt wurde dann eine Voliere gebaut. Schließlich wurden aber auch für Huftiere großzügige Gehege geschaffen.
- Und die Mitglieder wurden nicht müde, immer wieder neue Attraktionen zu integrieren wie eine Stelzwiese für Flamingos, neue naturnahe Volieren oder eine Kormoranzuchtanlage. Ein Jahr vor dem 75-jährigen Jubiläum wurde mit der 220 Quadratmeter großen Tropenhalle für exotische Vögel im Jahr 1987 eine weitere exklusive Attraktion für die Besucher eröffnet.
- Schon 1970 baute der Verein eine Vereinsgaststätte, nachdem er für diesen Zweck weiteres Gelände unmittelbar an den Park angrenzend von der Gemeinde erhalten hatte. Die Gaststätte wurde bis Mitte der 1980er Jahre durch den Verein selbst betrieben und dann anschließend an externe Wirtsleute verpachtet. Komplettiert wurde der Vogelpark durch einen sehr gut frequentierten Kinderspielplatz.
- 1986 gab sich der Verein eine neue Satzung, in der auch der Vogelpark verankert wurde und mit der man vor allem auch die Gemeinnützigkeit erhalten wollte. Aufgenommen wurde in die neue Satzung als Aufgabe die Vogelpflege und Vogelzucht von einheimischen Vögeln. Darüber hinaus wurde festgeschrieben, dass der Verein jetzt die Aufgabe habe, „einen Tier- und Vogelpark zur Arterhaltung zu führen und zu unterhalten“. Ferner wurde der Passus aufgenommen, dass der Tierpark der Bevölkerung „unentgeltlich als Erholungs- und Anschauungsstätte zur Verfügung steht“.
- Auch der Name des Vereins wurde geändert. Konsequenterweise wurde die Kanarienzucht aus dem Namen des Vereins gestrichen. Seit dem Eintrag als gemeinnütziger Verein im Vereinsregister beim Amtsgericht heißt er nun „Vogelschutzverein 1913 e.V. Kirrlach“.
- Durch diese vielfältigen Aktivitäten hat sich der Vogelpark aus kleinen Anfängen heraus zu einem viel besuchten und beliebten Naherholungsgebiet entwickelt. Der idyllische Park mit seiner Gaststätte ist ein beliebtes Ausflugsziel für viele Waghäuseler, aber auch für auswärtige Besucher geworden.
- 2003 zählte der Verein noch 48 aktive Züchter, jetzt –zehn Jahre später – kann man sie an zwei Händen abzählen. Bei den aktiven Helfern bei der Pflege des Vogelparks sieht es nicht besser aus. Hier engagieren sich gerade noch drei Senioren, die die sich um die Tiere kümmern und helfen, die Anlage sauber zu halten. Vorstandsposten zu besetzen ist ein Lotteriespiel.
- Die Tropenhalle als ehemaliges Schmuckstück der Anlage schläft schon lange einen Dornröschenschlaf. Die letzte Vogelausstellung war im Jahr 2010, weil der Züchterschwund nicht aufzuhalten ist. Das beliebte Vogelparkfest ist ebenfalls seit einigen Jahren Geschichte. In allen Bereichen stellt sich dasselbe Problem. Es gibt im Verein nicht mehr genügend Mitglieder, die sich aktiv mit Herz, Hand und Verstand im Verein engagieren wollen.
(Artur J. Hofmann 2013: 100 Jahre Vogelschutzverein Kirrlach)
Der Brand und der Neuanfang
(Pressemeldung) Rettung des Kirrlacher Vogelparks nimmt Arbeit auf
Erste Erfolge verzeichnet der neu gegründete „Förderkreis zur Unterstützung des Vogelparks Kirrlach“. Inzwischen engagieren sich 30 Mitglieder und Mitstreiter, darunter Privatpersonen, Firmen, Verbände, Banken und Behörden, als Förderer des ehrgeizigen Projekts, das den dauerhaften Erhalt der beliebten Vogelparkanlage zum Ziel hat.
Zu den ersten positiven Ergebnissen gehört auch, dass aufgrund der finanziellen Unterstützung durch den Förderkreis eine 400-Euro-Kraft eingestellt werden kann. Da derzeit zwei Futtermeister wegen Krankheit ausfallen, wird die neu verpflichtete Arbeitskraft deren nicht unerhebliche Aufgabe übernehmen, aber auch für andere anfallenden Maßnahmen im Vogelpark und in den Gehegen verantwortlich sein.
Ein erster wichtiger Schritt ist jetzt getan: Mit Hilfe des Förderkreises kann, was sich abzeichnet, der Vogelpark Kirrlach mit den Tiergehegen und der grünen Parkanlage erhalten werden. Was als Problem besonders drückt: Die derzeitigen Vorstandsmitglieder sind entweder im vorgerückten Alter oder gesundheitlich angeschlagen. Wenn es auch an Personal fehlt, einig sind sich alle: Die über Kirrlach hinaus beliebte idyllische Anlage, die als Ausflugsziel viele Besucher anzieht, muss in einem guten Zustand bestehen bleiben.
(Pressemeldung) Das schlimmste Ereignis: Alles steht in Flammen
Über den Hergang berichtet der Pächter und Gastwirt Gerd Zemski mit zitternder Stimme: „Es war so gegen 19.30 Uhr. Die letzten Gäste waren gerade gegangen. Beim üblichen Rundgang ums Haus sah ich plötzlich ein Feuerschein in der Ausstellungshalle. Sofort alarmierte ich die Feuerwehr. Rückzuck, innerhalb von fünf Minuten, stand das Gebäude in Flammen und brande lichterloh.
Eine zusätzliche Gefahr bestand, weil in der Halle auch Gasflaschen deponiert waren. Wäre ich nicht da gewesen, wäre mit Sicherheit alles abgebrannt und das Feuer hätte auf die umliegenden Gebäude, vor allem auf die Vereinsgaststätte, übergegriffen, die vielleicht fünf Meter entfernt liegt. Die Funken sind bereits auf dem Dach gelandet. Beim Brand hat es richtig geknallt – wie an Silvester.“ In der Ausstellungshalle nördlich des Eingangsbereichs waren vor allem Käfige und Voliere gelagert, aber auch andere Requisiten.
„Wir hatten Glück im Unglück“, meinten zwei Kirrlacher, die gestern Vormittag die Unglücksstelle in Augenschein nahmen und sich solidarisierten. Im Laufe des Tages kamen immer wieder Bürger vorbei, um sich das Ergebnis des Brands anzuschauen. „Ach Gott, was wäre passiert, wenn der Wirt bereits heim gefahren wäre“, hieß es übereinstimmend, besonders mit Blick auf den Tierbestand.
Unverständnis, weshalb ein Feuer ausbrechen konnte, äußerte ein Radfahrer, der trotz des Schnees bis zum Vogelpark radelte. Wer auch immer vor Ort war: Jeder hatte irgendwelche Spekulationen parat.
(Pressemeldung) Keine Brandstiftung – sondern Kurzschluss
Ausgerechnet kurz vor dem Jubiläum passierte ein Unglück, das den Verein schwer beutelte: Die große Ausstellungshalle mit Geschäftszimmer brandete bis auf die Fundamente ab. So steht im Jubiläumsjahr 2013 als weitere wichtige Aufgabe der Wiederaufbau an.
Beim Vogelverein wird derzeit eifrig diskutiert, wie es weitergehen soll, was die Baulichkeiten betrifft. Im Gegensatz zur ersten Einschätzung durch die Polizei liege keine Brandstiftung vor. Nach Aussagen der Kripo war ein Kurzschluss im Sicherungskasten die Ursache. Ein durchgeschmortes Kabel habe das Feuer im Geschäftszimmer ausgelöst. Nachdem die Versicherung ein Spezialunternehmen mit den Abräum- und Entsorgungsarbeiten beauftragt hatte, konnten relativ schnell Schutt und Asche beseitigt werden.
(Pressemeldung) Überraschung: Mit Natascha Ehringer übernimmt junge Frau das Ruder
Ist jetzt die Zukunft des Vogelparks Kirrlach gesichert? Die besorgten Mitglieder, Freunde, Sympathisanten und Förderer atmen auf, denn es sieht danach aus. Es gibt neue wegweisende Überlegungen, eine durchdachte Konzeption, den Willen zu einem Neuanfang – und überraschenderweise eine neue Führung mit Zukunftsperspektiven. Seit Jahren war der Vogelschutzverein personell ausgedünnt und überaltert. Eine Auflösung rückte in den Bereich des Möglichen. Direkt betroffen wäre der Vogelpark mit einer Schließung gewesen.
Natascha Ehringer, eine junge Frau, gerade 33 Jahre alt, hat jetzt die Verantwortung über den 102 Jahre alten und 120 Mitglieder starken Verein und damit den Träger des Vogelparks übernommen. Als gelernte Tierarzthelferin scheint sie für die Aufgabe geradezu prädestiniert zu sein. Mit neuen und auch erfahrenen Mitstreitern an der Seite sollen die gewaltigen Aufgaben angepackt werden.
(Pressemeldung) Ausgaben für Vogelpark um die Hälfte reduziert
Durchaus optimistisch blickt der Vogelschutzverein Kirrlach trotz aller Probleme in die Zukunft. Aufgrund gemeinsamer Kraftanstrengungen ist es gelungen, die Kosten für die Instandsetzung des Vogelparks um etwa die Hälfte zu reduzieren. Nach den ersten Kostenschätzungen sollten die zwei wichtigsten Maßnahmen – der Umbau des Tropenhauses und die Sanierung des Teichs – mit rund 40.000 Euro zu Buche schlagen.
Dank günstiger Angebote, dank verschiedener Einsparungen und dank vieler Eigenleistungen kann das Großvorhaben jetzt mit knapp 20.000 Euro bewältigt werden. Doch auch diesen Betrag kann der Verein nicht allein stemmen, er ist auf Spenden angewiesen. Hinzu kommt: Auch das große Ziegengehege mit den Mittenwalder Bergziegen und das Dammhirschgehege müssen in Ordnung gebracht werden. Hier hat aber die Stadt Waghäusel ihre Unterstützung zugesagt. Der große Teich, von Wurzeln der nahen Bäume schwer beschädigt, wird jetzt mit einer dicken Folie neu abgedichtet. Vorgesehen sind der Einsatz einer Pumpe und eines Teichsprengers.
Von der alten Tropenhalle stehen derzeit nur noch die Außenmauern. Das Dach und das Gebälk waren so schadhaft, das alles abgerissen werden musste. Aus dem sodann renovierten Überbleibsel soll ein Großvogelvoliere entstehen mit einheimischen Wildvögeln. Angedacht ist ein Giebelgebäude, überdacht mit einem Volierendraht und einer Stahlunterkonstruktion – auch an der Front- und Längsseite. Mindestens 50 sehenswerte Vögel will der Verein dort unterbringen, darunter der Bergfink, Stieglitz, Kernbeißer, Magellanzeisig, Fichtenkreuzschnabel und Dompfaff. Als sogenannte Bodenläufer sind Zwergwachteln als Partner eingeplant.
(Werner Schmidhuber)